pts20041001050 Technologie/Digitalisierung, Medien/Kommunikation

talk.IT "Software-Patent-Richtlinie"

Spannend, aber kein Konsens


Wien/Schwechat (pts050/01.10.2004/16:04) Am 29.9.2004 fand im Concorde Business Club in Schwechat talk.IT!, der IT-Informations- und Diskussions-Event des concorde technology center schwechat (concorde.tcs) und ITBeurope zum Thema "Software-Patent-Richtlinie" statt.

Rund 50 Teilnehmer von österreichischen und deutschen IT-Firmen und -institutionen, Anwaltskanzleien mit Spezialisierung auf Patentrecht und Vertreter aus Politik und Forschung lieferten einander im Rahmen einer spannungsgeladenen Podiums- und Publikumsdiskussion teilweise heiße Gefechte. Allerdings wurde auch klar, dass die Informationssituation der Zielgruppe zum Teil noch nicht ausreichend ist.

talk.IT! wurde vom concorde technology center schwechat und ITBeurope in Kooperation mit der Außenstelle Schwechat der Wirtschaftskammer Niederösterreich und danubetec.net - Innovation Consultancy organisiert. Der Event wurde von der Stadtgemeinde Schwechat, Raiffeisen Property Management und Microsoft Österreich gesponsert.

Nach der Begrüßung durch Günther Krumpak von ITBeurope sowie DI Helmut Paugger vom concorde.tcs präsentierte Dr. Leo Baumann von der European Information and Communications Technology Industry Association (EICTA, http://www.eicta.org) in Brüssel via Telefonschaltung seine Haltung zur "Patentierbarkeit von Computer-implementierten Erfindungen".

Die Forderungen der EICTA deckten sich dabei größtenteils mit jenen des von Dr. Friedrich Bock vom Fachverband für Unternehmensberatung und Informationstechnologie ubit (http://www.ubit.at) vorgestellten Positionspapiers. In Bezug auf die EU-Richtlinie zum gegenständlichen Thema postuliert der Fachverband den ausreichenden Schutz von Softwareprogrammen durch das Urheberrecht, was bedeutet, dass Algorithmen, Schnittstellendefinitionen, mediale Darstellungen usw. nicht patentierbar wären. Das Europäische Patentübereinkommen und das Patentrecht der Mitgliedstaaten schließt im Artikel 52(2) "Programme für Datenverarbeitungsanlagen als solche" von der Patentierbarkeit aus. Patentschutz sollte nur im Zusammenhang mit "substanziellen technischen Beiträgen", die genau zu definieren wären, gewährt werden. Ausschlaggebend seien der "technische Beitrag" und die "Erfindungshöhe" mit entsprechend auszuarbeitenden Ausführungsbestimmungen. Die Vorteile einer gemeinsamen europäischen Patentregelung liegen laut Baumann in der Rechtssicherheit im Technologietransfer zwischen Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen, im Schutz der Erfindung, im Investitionsanreiz, durch die Möglichkeit, über Lizenzen Einnahmen zu erzielen, und im dadurch erleichterten Zugang zu den Kapitalmärkten für KMUs.

Eine Patentregelung brächte eine Kodifizierung der derzeitigen europäischen Praxis, die auf bewährten, restriktiven Standards beruht, damit keine Angleichung an das US Modell (Trivialpatente, Patente auf bloße Geschäftsmethoden) stattfände.

Allerdings sieht die EICTA Probleme in der dem grundsätzlich akzeptablen Textentwurf der Richtlinie folgenden Rechtssetzungsverfahren. Grund dafür ist, dass sich in den Definitionen problematische Ausschlüsse aus dem Patentsystem (Artikel 3 "Ausschluss Datenverarbeitung, "Datenübertragung") und Systemwidrigkeiten (z.B. Artikel 9: Patente sollen nicht durchsetzbar sein, "wenn ihnen Erfindungen zugrunde liegen, die für einen bedeutsamen Zweck verwendet werden") befänden. Weiters würden drastische Einschränkungen des Patentrechts weder angezeigt noch auf Folgen untersucht. Bestehende Lizenzvereinbarungen wären dann nicht mehr gültig und bestehende Patente wertlos, der Patentschutz wäre in Europa nicht gewährleistet, wohl aber in den USA und Japan)

Laut Baumann sind daher mehrere Szenarien denkbar:

* Der Rat verabschiedet einen gemeinsamen Standpunkt auf der Grundlage der politischen Einigung, dieser wird vom Europäischen Parlament angenommen, was für die EICTA ein gutes Ergebnis darstellen würde.

* Das Europäische Parlament (EP) setzt sich nach der zweiten Lesung (Jänner bis April 2005) im Vermittlungsverfahren mit einigen nachteiligen Änderungsantragen durch: Der Patentschutz in Europa wird verkürzt und mögliche Auswirkungen, die nicht untersucht worden sind, werden in Kauf genommen.

* Rat und das EP können sich nicht einigen: Selbst ein Scheitern der Richtlinie: wäre für die EICTA ein akzeptables Ergebnis.

* Rat und EP können sich einigen, die Europäische Kommission möchte Schaden für die Wirtschaft abwenden und zieht ihren Vorschlag zurück, was ein Scheitern der Richtlinie zu Folge hätte. Auch dies wäre für die EICTA ein akzeptables Ergebnis.

Dr. Bock (ubit) forderte darüber hinaus die richtlinienkonforme Beurteilung von Streitfällen unabhängig von deren Entstehungszeitpunkt und die klare und un-zweideutige Formulierung der Richtlinie, um sie der Wirtschaft, vor allem KMUs, leicht zugänglich zu machen.

In der nachfolgenden Podiumsdiskussion, moderiert von Edmund Lindau von der Computerwelt, stellten neben Dr. Baumann und Dr. Bock der Rechtsanwalt DDr. Meinhard Ciresa http://www.ciresa.at, Dr. Johannes Werner vom Österreichischen Patentamt http://www.patentamt.at, Thomas Warwaris, LINUX-User der ersten Stunde, und DI Bernd Petrovitsch, Obmann der LINUX User Group Austria http://www.luga.at, ihre Standpunkte dar.

Warwaris evozierte die umstrittene These, dass die Patentrichtlinie die Interessen multinationaler Großkonzerne absichern könnte und die betroffene Zielgruppe - die Vielzahl "kleiner" Entwickler in Europa - in finanzielle und rechtliche Schwierigkeiten bringen könnte, da begonnen von der Patentrecherche bis zur Anmeldung möglicher Patente entsprechende Mittel aufzubringen wären.

Petrovitsch brachte grundsätzlich die Definition von Technik ins Gespräch: Da ja die Ausführung von Softwareprogrammen per se keinen technischen Vorgang darstellte, stelle sich die Frage, wo Technik beginne, um der Richtliniendefinition zu entsprechen.

Ciresa und Werner betonten die wirtschaftspolitische Komponente. Werner versuchte, die Argumente beider Seiten zu sehen und betrachtete die durch die Richtlinie definierte technische Komponente als ausreichend, reine Softwareentwicklung aus der Patentierbarkeit auszuschließen.

Auch die Diskussionseinbindung des Publikums im letzten Drittel der Veranstaltung brachte interessante Inputs zum heißen Thema, von polemisch ("Ein Softwareprogramm ist wie ein Roman - soll man den das Haus umschleichenden Mörder patentieren lassen können?") bis sachlich.

Man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Diskussion streckenweise konsensorientierter verlaufen wäre, wenn beide Seiten hätten sicherstellen können, wie Definitionen und Abgrenzungen der Richtlinien genau aussehen würden. Der Interpretationsspielraum gab Spekulationen und Befürchtungen ausreichend Platz, um naheliegenderweise die Diskussion ohne konkretes Resultat enden zu lassen.

Die Veranstalter werden daher die Thematik weiter "am Kochen halten", da es nicht zuletzt um Bewusstseinsbildung in den betroffenen Zielgruppen geht und nur die qualifizierte Diskussion die Meinungsbildner zur nachhaltigen Argumentation veranlassen kann.

Den Abschluss von talk.IT! bildete das Buffet, bei dem in angenehmer Atmosphäre das Event-Thema in kleinem Kreise weiter diskutiert und auch neue Kontakte geknüpft wurden.

Günther Krumpak und DI Helmut Paugger, Veranstalter, unisono: " Wir sind mit dem heutigen talk.IT! - Event sehr zufrieden. Eine heiße Diskussion hat sehr interessante Standpunkte zutage gebracht. Der Erfolg zeigt, dass wir mit unserer talk.IT! / match.IT! - Veranstaltungsreihe richtig liegen."

Der nächste Termin der Reihe ist das Matchmaking-Event match.IT! zum Thema "IT-Security" am 13. Oktober 2004 http://www.concordetcs.at/index.php?id=93

Weitere Informationen:

concorde technology center schwechat (concorde.tcs)
DI Helmut Paugger
Am Concorde Park 2, A-2320 Schwechat
Tel.: +43-(0)676-705 67 62
mailto:office@concordetcs.at
http://www.concordetcs.at

(Ende)
Aussender: ITBeurope
Ansprechpartner: Günther Krumpak
Tel.: +43 664 416 77 26
E-Mail: g.krumpak@itbeurope.org
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