pts20070628020 Technologie/Digitalisierung, Produkte/Innovationen

Praxistest: Mobiles Internet noch kein Festnetz-Ersatz

Ergebnis des ersten österreichweiten "Mobile Internet"-Praxistests


Wien (pts020/28.06.2007/11:00) Die Geschwindigkeit und Qualität von mobilen Internet-Zugängen liegt in der Praxis weit unter den Werbeaussagen der Mobilfunkanbieter. Durchschnittlich wird mit 868 kbit/s in Landeshauptstädten nicht einmal ein Fünftel, in ländlichen Gemeinden mit 499 kbit/s gar nur ein Siebentel der beworbenen "maximalen" Geschwindigkeit von 3.600 kbit/s tatsächlich erreicht. Business-Anwendungen, Multi-User-Games, große Downloads und VoIP-Telefonie sind daher vielerorts mit mobilem Internet nicht zufriedenstellend nutzbar. Das ist das ernüchternde Ergebnis von 690 Einzeltests, die österreichweit vom ÖIAT und der AK mit Produkten aller Mobilfunk-Netzbetreiber durchgeführt wurden. AK-Konsumentenschützer Glatz: "Die Mobilfunkanbieter müssen ihre Fehlinformation beenden und ihre Werbeaussagen der Realität anpassen." ÖIAT-Geschäftsführer Ronald Hechenberger: "Der Test hat klar gezeigt, dass mobiles Internet in der Praxis noch immer deutlich langsamer und unzuverlässiger ist als das klassische Breitband-Internet via Festnetz."

Mobiles Breitband-Internet erfreut sich sowohl im Business-Bereich als auch bei Privatkunden stetig wachsender Beliebtheit. Gleichzeitig nahmen auch die Beschwerden über die tatsächliche Verfügbarkeit und Geschwindigkeit zuletzt deutlich zu. Das Österreichische Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT, www.oiat.at ) hat jetzt mit der AK erstmals in mehreren Bundesländern einen Praxistest der "Mobile Internet"-Angebote aller österreichischen Mobilfunk-Netzbetreiber durchgeführt.

Über 690 Einzelmessungen wurden im Mai und Juni 2007 in Wien, Linz, St. Pölten, Eisenstadt, Graz und Innsbruck, den Vororten dieser Landeshauptstädte und in verschiedenen Landgemeinden durchgeführt. Getestet wurde die praktische Nutzung alltäglicher Internetanwendungen (z. B. Software-Updates, Musik-Downloads etc.) mit mobilen Internet-Zugängen. Dokumentiert und ausgewertet wurden im Rahmen des Tests die tatsächlich erreichten Up- und Download-Geschwindigkeiten, die Verzögerungszeiten und Datenverluste bei der Übermittlung, sowie die Geschwindigkeit des Verbindungsaufbaus. Alle Tests wurden mit genormten Messgeräten, einheitlichen Testservern und standardisierten Messabläufen sowohl in Gebäuden als auch im Freien durchgeführt.

"H.U.I" & Co. auf dem Prüfstand: kein einziger mobiler Anbieter erreicht in der Praxis die beworbene Maximalgeschwindigkeit

Gleichberechtigt auf dem Prüfstand waren die mobilen Internet-Produkte der Anbieter A1 ("Breitband 300"), T-Mobile ("Mobile Internet Small"), ONE ("H.U.I. Start") und "3" ("3Data 500 MB"), die derzeit alle mit dem gleichen Modem-Model (Huawei HSDPA USB Modem E220) am Markt erhältlich sind. Dadurch wurden ein direkter Leistungsvergleich und erstmals auch die Erhebung von österreichweiten Durchschnittswerten über alle Betreiber hinweg möglich.

Die Ergebnisse der Tests sind durchwegs ernüchternd. Alle Anbieter und alle getesteten Produkte lagen bei den im Praxistest erzielten Downloadraten zumeist massiv unter den beworbenen "maximalen" Downloadgeschwindigkeiten. Die in der Werbung angepriesenen Downloadgeschwindigkeiten bis zu 3600 kbit/s bzw. 7200 kbit/s wurden in keiner einzigen Messung und bei keinem Anbieter erreicht - selbst dann, wenn freier Sichtkontakt und eine Entfernung von nur 50 Metern zum nächsten Sender gegeben war.

Am Land und in Gebäuden ist mobiles Breitband nochmals deutlich langsamer

Die bei den hunderten Einzelmessungen gemessene durchschnittliche Downloadgeschwindigkeit lag bei Tests in Gebäuden, wo in der Realität nach wie vor die hauptsächliche Nutzung stattfindet, mit 868 kbit/s ganze 76 Prozent unter der von allen Anbietern beworbenen Bandbreite von "bis zu" 3600 kbit/s. Auch im Freien wurden nur 10 Prozent höhere durchschnittliche Downloadraten erzielt (908 kbit/s).

In Landgemeinden lag die gemessene durchschnittliche Downloadgeschwindigkeit mit nur 499 kbit/s erwartungsgemäß weit unter den Testergebnissen aus dem städtischen Bereich - das sind nicht einmal 14 Prozent der beworbenen theoretischen maximalen Übertragungsrate von 3600 kbit/s bzw. 7 Prozent von 7200 kbit/s.

DI Ronald Hechenberger, Geschäftsführer des ÖIAT und Leiter des Praxistests: "Beim Vergleich zwischen den einzelnen Netzbetreibern gab es in den verschiedenen Testorten erwartungsgemäß enorme Geschwindigkeits- und Qualitätsunterschiede, sodass Kunden vor der Anschaffung eines mobilen Internet-Zuganges jedenfalls die tatsächliche Verfügbarkeit eines Netzbetreibers am geplanten Haupteinsatzort testen sollten."

Obwohl zumeist ebenfalls weit entfernt von den in der Werbung kommunizierten Bandbreiten, konnte sich das Mobile Internet-Angebot von A1 mit 1089 kbit/s quer über alle Messungen hinweg als das durchschnittlich schnellste beim Download behaupten, knapp gefolgt vom mobilen Internet-Angebot von T-Mobile mit einer erzielten durchschnittlichen Downloadgeschwindigkeit von 978 kbit/s. Etwas abgeschlagen sind die Angebote von "3" (durchschnittlich 640 kbit/s) und ONE (605 kbit/s), die im städtischen Bereich den anderen beiden Anbietern zwar meist ebenbürtig waren, bei den Tests in Landgemeinden aber deutlich niedrigere Übertragungsraten als A1 und T-Mobile erzielten.

Wie beim Daten-Download blieben alle Anbieter auch beim Upload hinter den Erwartungen zurück. Österreichweit betrug die durchschnittliche Uploadgeschwindigkeit nur 241 kbit/s, wobei in den Landgemeinden mit 115 kbit/s nicht einmal die Hälfte davon erreicht wurde.

Harald Glatz, Leiter der Konsumentenschutzabteilung der AK Wien: "Die aktuellen Werbebotschaften der Mobilfunkbetreiber stellen die mit mobilem Internet in der Praxis erzielbaren Werte nicht realistisch dar. Die Zahlen der Werbung sind reine Laborzahlen, die dem Konsumenten bei der Produktentscheidung nicht weiterhelfen und falsche Erwartungen wecken."

Geteilte Bandbreite - vielfaches Leid: je mehr User gleichzeitig in einer Funkzelle surfen, desto drastischer fällt die Geschwindigkeit

Beim Einsatz von mehr als einem mobilen Breitbandmodem im Einzugsbereich eines Senders (Mobilfunkzelle), zeigten sich erwartungsgemäß negative Auswirkungen auf die Übertragungsgeschwindigkeit aller in Betrieb befindlichen Anschlüsse. Bei nur sechs gleichzeitig aktiven mobilen Breitbandmodems eines Netzbetreibers in unmittelbarer Nähe eines Senders, sank die Datentransferrate um ganze 73 Prozent vom oft ohnehin schon relativ niedrigen Ausgangswert.

Dieses Prinzip der "geteilten Bandbreite" innerhalb einer Mobilfunkzelle, das mobile Internetzugänge technisch wesentlich von Festnetzzugängen (ADSL, XDSL) unterscheidet, führt vor allem in dicht verbauten Gebieten, größeren Wohnhausanlagen, Studentenheimen etc. immer wieder dazu, dass eine zufriedenstellende Nutzung vorübergehend oder dauerhaft nicht möglich ist. Hechenberger: "Dutzende Nutzer in einem Studentenheim, die abends gar keinen mobilen Zugang mehr erhalten, oder sich mit "mobilen Schmalband" begnügen müssen, sind derzeit die Realität."

Die im Vergleich zu Stadtzentren geringere Nutzerdichte war auch der Grund dafür, warum beim Test an Stadtrandgebieten sogar höhere durchschnittliche Downloadraten als in den dichter bewohnten Stadtzentren erzielt werden konnten.

VoIP, Online-Gaming und Businessanwendungen vielerorts mit mobilen Internet nicht oder nur eingeschränkt nutzbar

Nicht nur bei den tatsächlich erreichten Up- und Downloadgeschwindigkeiten sind mobile Internet-Zugänge den klassischen Festnetz-Zugängen heute noch unterlegen. Auch die Stabilität der Leitungen und die Qualität der Verbindungen via Mobilfunknetz lassen oft zu wünschen übrig.

Die Messung der durchschnittlichen Verzögerungszeiten bei der Datenübermittlung ergab bei den mobilen Breitbandangeboten eine durchschnittliche Verzögerung von 422 Millisekunden. Damit werden die Grenzwerte für sehr gute Sprachqualität (200 Millisekunden) bzw. für akzeptable Sprachqualität (Grenzwert 400 Millisekunden) bei VoIP deutlich überschritten. Internet-Anwendungen, die kurze Verzögerungszeiten benötigen (z.B. Online-Gaming), aber auch viele Businessanwendungen (z.B. ERP-Software) sind deshalb in der Praxis mit mobilem Internet an vielen Orten nur eingeschränkt oder gar nicht nutzbar.

Tipps für Konsumenten

* Mobile Internetanwendungen sind eine gute Ergänzung des klassischen Internet-Zuganges, wenn auf Mobilität großen Wert gelegt wird. Wer allerdings regelmäßig über Internet große Datenmengen up- oder downloaden will, über das Internet telefoniert, interaktive Online-Games und andere schnelle Webanwendungen nutzt, oder ständige Serveranbindungen für Business-Lösungen benötigt, ist mit den zuverlässigeren und deutlich schnelleren Festnetz-Breitband-Internetangeboten besser bedient.

* Überprüfen Sie die Verfügbarkeit von mobilen Breitbandinternetangeboten vorab für Ihren tatsächlichen Einsatzort, da vor allem am Land oft nur ein kleiner Bruchteil der beworbenen maximalen Übertragungsgeschwindigkeit tatsächlich erreicht wird.

* Bei mehreren Nutzern von mobilem Internet eines Netzbetreibers in einem Haushalt oder in unmittelbarer Umgebung (z.B. Wohnhausanlage) verringert sich in der Regel die Übertragungsgeschwindigkeit stark, da man sich dien Bandbreite mit anderen Kunden in der selben Mobilfunkzelle teilen muss.

* Für die Nutzung von mobilen Datenkarten im Ausland fallen bei vielen Anbietern besonders hohe Kosten von 10 Euro pro Megabyte (!) und mehr an. Darauf muss man im Urlaub, aber auch speziell in den Grenzregionen Österreichs achten, da man dort leicht versehentlich die Netze ausländischer Mobilfunkanbieter nutzen kann.

* Wegen des allgemein rasch sinkenden Preisniveaus, sollte der Vertrag vor Abschluss auf übermäßig lange Vertragsbindungszeiten und eventuelle Preiserhöhungen nach einer Einführungsaktion geprüft werden.

Studiendaten

Untersuchungsschwerpunkt: Ermittlung der maximalen und durchschnittlichen Übertragungsraten (kbit/s) für den Down- und Upload bei typischen Anwendungen. Gemessen wurde mit der Software DU Meter 3.07 von Hagel Technologies. Verwendet wurde ein Dell Inspiron 6000 Notebook (Celeron 1,4 GHz, 512 MB Ram), Betriebssystem Windows XP Professionell SP 2. Der Download- bzw. Uploadserver war ein Testserver der im Testzeitraum nur für diese Untersuchung genutzt wurde.

Umfang: 690 Einzelmessungen an 13 Testorten

Zeitraum: 16. Mai 2007 bis 8. Juni 2007 zwischen 17 bis 22 Uhr.

Testorte:
1010 Wien, Stephansplatz 11, am 23.5.2007
6010 Innsbruck, Adamgasse 4, am 18.5.2007
3100 St. Pölten, Heßstraße 7, am 29.5.2007
7000 Eisenstadt, Bahnhofsplatz 3, am 29.5.2007
8010 Graz, Schlossberg 4, am 30.5.2007
1050 Wien, Margaretenstraße 70, am 22.5.2007 (Messung geteilte Bandbreite)
6176 Völs, Innsbruckerstraße 4, am 18.5.2007
3002 Purkersdorf, Hauptplatz 13, am 21.5.2007
3071 Mechters, Kremser Schnellstraße (Agip), am 29.5.2007
6433 Oetz, Hauptstraße 70, am 16.5.2007
2164 Wildendürnbach Wildendürnbach 89, am 05.6.2007
7093 Jois, Bahnstraße 2, am 25.5.2007
8685 Steinhaus am Semmering, Steinhaus 20, am 30.5.2007

Die Ergebnisse dokumentieren die im Testzeitraum die tatsächlichen erreichten Übertragungsgeschwindigkeiten im Praxiseinsatz. Der Praxistest erhebt keinen Anspruch auf Repräsentativität für das gesamte Bundesgebiet.

Rückfragehinweis:

Österreichisches Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT)
DI Ronald Hechenberger, Geschäftsführer
hechenberger@oiat.at
+43 1 595 21 12
www.oiat.at

(Ende)
Aussender: DI Ronald Hechenberger, ÖIAT
Ansprechpartner: DI Ronald Hechenberger, ÖIAT
Tel.: +43 1 595 21 12
E-Mail: hechenberger@oiat.at
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