pte20070309017 Medien/Kommunikation, Unternehmen/Wirtschaft

Heuschrecken: Fragwürdige Rolle von Finanzinvestoren in Verlagen

Unklar wie journalistische Qualität und Arbeitsplätze zu sichern sind


Vorkötter:
Vorkötter: "Finanzinvestoren für Pressefreiheit problematisch" (Foto: Frankfurter Rundschau)

Wien (pte017/09.03.2007/12:22) Aus Journalistensicht ist die Rolle von branchenfremden Finanzinvestoren in Zeitungsverlagen fragwürdig. Finanzinvestor Johannes von Bismarck von der US-Investorengruppe Veronis Suhler Stevenson (VSS) http://www.vss.com hat in einer vom Verband der österreichischen Zeitungen (VÖZ) http://www.voez.at anlässlich der Generalversammlung veranstalteten Diskussionsrunde die Vorbehalte gegen die "Heuschrecken" in Medienunternehmen zu entkräften versucht. Behaupten musste sich von Bismarck gegen den ehemaligen Kontrahenten Uwe Vorkötter, Chefredakteur der Frankfurter Rundschau, ehemals Chefredakteur der Berliner Zeitung, die seit der Übernahme des Berliner Verlags im Oktober 2005 der VSS gehört.

Dem Vorwurf, Finanzinvestoren interessiere nur ein gutes operatives Ergebnis, das sie in kürzester Zeit erreichen wollen, widersprach von Bismarck. "Es stimmt nicht, dass wir nicht langfristig investieren, denn es wäre strategisch nicht klug. Spätestens beim Wiederverkauf wird deutlich, ob es sich um ein ausgebombtes Objekt handelt", so von Bismarck. Auch den Vorwurf, Finanzinvestoren schadeten der Pressefreiheit und Meinungsvielfalt, weist von Bismarck zurück. "Im Gegensatz zu Verlegern mischen sich Finanzinvestoren nicht in die Redaktionen ein", betont der Financier. Dass sich die Qualität der Berliner Zeitung verschlechtert hätte, wie die Medien nach der Übernahme gewarnt hatten, streitet er ab. Die Investorengruppe hätte ein sehr gutes Verhältnis zur Belegschaft und man sei sehr zufrieden mit den Leistungen, die von den Mitarbeitern erbracht worden sind. "Überhaupt", so sein Fazit, "seien die 'Heuschrecken' gar nicht so schlimm".

Trotz ihrer Nichteinmischung sind für Vorkötter Kapital-orientierte Finanzinvestoren dennoch problematisch für die Pressefreiheit und die Redaktionsunabhängigkeit. "Die Pressefreiheit ist ein Privileg, das nicht verliehen wird, um gute Geschäfte zu machen, sondern um einen öffentlichen Auftrag wahrzunehmen", stellt er seine Sicht auf die Dinge dar. Es gehe darum, wer welche Inhalte ermöglicht, so Vorkötter, der nach der Übernahme durch die US-Investoren gemeinsam mit weiteren Personen aus der Chefetage den Berliner Verlag, nunmehr BV Deutsche Zeitungsholding, verlassen hatte. Verleger hätten eine emotionale Bindung zu ihren Publikationen, während es sich bei Finanzinvestoren um ein reines Eigentumsverhältnis handle, so Vorkötter. "Ein Blatt, das sich in der Hand von Finanzinvestoren befindet, würde gesteuert, um ein Finanzmodell erfolgreich zu machen. Die Zeitung wird zum Spielball dieser Konstruktion", sagt er weiter.

Auch Österreichs Bundeskanzler Alfred Gusenbauer kritisierte im Rahmen des European Newspaper Congress (pressetext berichete: http://www.pte.at/pte.mc?pte=070306032 ), dass Zeitungen immer mehr wie Aktien auf der Wall Street gehandelt würden. "Die Entwicklungen müssen kritisch hinterfragt werden, wenn man über Qualität im Journalismus und über die Zukunft von Arbeitsplätzen im Mediensektor spricht", so Gusenbauer. Die Frage, wie Qualität und Redaktionsunabhängigkeit gewährleistet werden können, bleibt dennoch offen, denn auch Gusenbauer konkretisiert das Geforderte nicht weiter. Vorkötter sei klar, dass eine stabile wirtschaftliche Grundlage nötig sei, um Redaktionsunabhängigkeit zu garantieren. Auch der Frankfurter Rundschau stehen Umstrukturierungen ins Haus. Bis 2008 sollen 200 Stellen eingespart werden. "Es wird aber keine Entlassungen geben, sondern Ausstiegsprogramme", wie Vorkötter pressetext gegenüber versichert.

(Ende)
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