pte20060628017 Technologie/Digitalisierung, Politik/Recht

Microsoft-Kartellstreit: EU-Kommission macht Ernst

Jakobs: "Strafe nebensächlich - Offenlegung der Schnittstellen-Informationen wichtig"


Brüssel (pte017/28.06.2006/12:00) Im Kartellstreit mit dem Softwaregiganten Microsoft http://www.microsoft.com macht die EU-Kommission offenbar ernst. Die Wettberwerbskommission stehe kurz vor einem formellen Urteil, wonach Microsoft eine Geldstrafe von täglich zwei Mio. Euro drohe, berichtete die Financial Times unter Berufung auf gut informierte Kreise. Gemäß dem Urteilsentwurf habe Microsoft die Auflagen aus der Kartellentscheidung von 2004 nicht vollständig erfüllt.

Der unabhängige Gutachter, Neil Barrett, hatte sich bereits im vergangenen Herbst kritisch zu den von Microsoft vorgelegten Dokumenten geäußert und eine Überarbeitung gefordert. Die Unterlagen seien schlicht unbrauchbar. Es wäre seinen Kollegen und ihm nicht möglich gewesen, mit der Anleitung aus Redmond Produkte von Konkurrenten zum Laufen zu bringen. "Der Ansicht von Barrett ist nichts hinzuzufügen", meint Joachim Jakobs, Sprecher der Free Software Foundation Europe (FSFE) http://www.fsfeurope.org , im Gespräch mit pressetext. Die FSFE unterstützt die EU-Kommission seit 2001 im Verfahren gegen Microsoft.

Ob nun tatsächlich eine Strafe verhängt wird oder nicht, ist für Jakobs jedoch nebensächlich. "Tatsächlich wichtig ist die lückenlose Offenlegung der Schnittstellen-Informationen", so der FSFE-Sprecher. "Das liegt in unserem Interesse und das werden wir auch unterstützen." Ob Geldbußen den Softwarekonzern dazu bewegen können, bezweifelt er jedoch. "Es ist ein Umdenken notewendig, das allerdings nicht in Sicht ist. Microsoft hat Angst um seine Kunden und wird lieber zahlen, als die geforderten Daten offen zu legen", kritisiert Jakobs. Erst wenn der Schaden bei Finanzen und Ansehen zu groß sein wird, werde Microsoft einlenken.

Sollte die Kommission die Buße verhängen, so wird sie rückwirkend ab 15. Dezember 2005 fällig. Microsoft war im März 2004 unter anderem dazu verurteilt worden, bestimmte Spezifikationen in der Server-Software gegenüber Konkurrenten offen zu legen. Die tägliche Buße wurde für den Fall ausgesprochen, dass Microsoft das Urteil nicht befolgt. Der endgültige Entscheid der Kommission wird für den 12. Juli erwartet.

Wettbewerbskommissarin Viviane Reding hat gestern, Dienstag, schon ihre nächsten großen Ziele erläutert und sich für die Aufspaltung der europäischen Telekom-Riesen ausgesprochen. Reding erklärte in Brüssel, eine Abspaltung des Netzbetriebs von den übrigen Angeboten der ehemaligen Monopolisten wie der Deutschen Telekom könne dem Wettbewerb helfen. "Ich glaube, dass eine strukturelle Trennung von Netz und Dienstleistungen viele Wettbewerbsprobleme lösen kann, die die europäischen Telekom-Märkte heute immer noch haben", so Reding bei einem Empfang des deutschen Branchenverbandes Bitkom. Sie forderte zudem eine EU-Regulierungsbehörde und eine EU-weite Vermarktung frei werdender Funkfrequenzen.

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