pts20050404046 Politik/Recht, Umwelt/Energie

Gewerbeverein: Verfassungsgerichtshof zerpflückt Strommarktliberalisierung!

Der Gesetzgeber soll endlich das Netztarif-Chaos entflechten!


Wien (pts046/04.04.2005/21:25) In drei Erkenntnissen hat sich vor Kurzem der Verfassungsgerichtshof mit dem Energiepreisrecht auseinander gesetzt. In der aktuellen Ausgabe der juristischen Fachzeitschrift Ecolex beschäftigen sich nun Thomas Rabl und Herwig Hauenschild mit diesen Urteilen. Beim Österreichischen Gewerbeverein (ÖGV) - und wahrscheinlich nicht nur dort - kommen Zweifel auf, wie ernst die Politik in Österreich die Energiemarktliberalisierung nimmt; nicht erst seit den VfGH-Erkenntnissen.

Besonders intensiv setzen sich die Ecolex-Experten mit dem ElWOG (Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetz) und den darin enthaltenen Regelungen über die Netznutzung auseinander. Weit gehend ungeregelt ist dabei, welche Kosten bei den einzelnen Tarifen berücksichtigt werden dürfen. Nicht einmal der zentrale Terminus "Netzbereitstellungsentgelt" ist im Gesetz definiert.

Dies hat natürlich für die Wirtschaft, wie für den Endabnehmer spürbare Folgen. Der Gesetzgeber hat bis heute - willentlich oder aus Schlamperei - nicht festgesetzt,
+ welche Kosten beim Netz welchen Tarifkomponenten zuzuordnen sind und
+ welche Kostenstrukturen insgesamt ersatzfähig und damit verrechenbar sind.

Bemerkenswert ist, dass sich die beiden Ecolex-Juristen Sorgen darüber machen, was passiert, wenn der Systemnutzungstarif die Kosten der Netzbetreiber nicht vollständig abdeckt. Stellt dies dann einen Eingriff in das Eigentum und in die Erwerbsfreiheit des Netzbetreibers dar? - fragen sie.

Die letztgenannte Sorge scheint wohl unbegründet. Seit Jahren müht sich Energie-Control Geschäftsführer Walter Boltz redlich, die Netztarife zu drücken. Mit viel Erfolg, wie lobend erwähnt werden muss. Immerhin steht ihm gegenüber eine parteipolitische Formation, die mit genug Geld ausgestattet, alles zu argumentieren im Stande ist.

Wobei der ÖGV auf dem Standpunkt steht, dass all die Energienetze schon einmal vom Nutzer und/oder Steuerzahler finanziert wurden. Netzpreise dürfen somit allenfalls Wartungs- und Reparaturkosten, direkt dem Netzbetrieb zurechenbare Arbeits- und Verwaltungskosten, Abschreibungen für Netzerweiterungen und einen minimalen Gewinn enthalten. Und sonst gar nichts!

Der ÖGV erwartet vom Gesetzgeber, dass er beim Energierecht endlich die darin enthaltenen Wertungswidersprüche im Spannungsfeld zwischen Sachlichkeitsgebot und Legalitätsprinzip beseitigt und dies nicht oberstgerichtlich besorgt werden muss.

Es reicht bereits, dass sich die politischen Kräfte bei den heimischen EVUs die Entscheidungshoheit über das Verstaatlichungsgesetz mit einer 51 Prozent-Mehrheit gesichert haben und damit trotz einer sehr aufwändigen Liberalisierungsstruktur den Wettbewerb nachhaltig unterbinden.

Wer will schon auf die fetten Dividenden verzichten, die man so dringend für die Öffis, Radwege oder Stadtfeste benötigt?

(Ende)
Aussender: Österreichischer Gewerbeverein
Ansprechpartner: Herwig Kainz
Tel.: +43/1/587 36 33
E-Mail: h.kainz@gewerbeverein.at
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